Abtretungsverbote für Lohnansprüche in Arbeitsverträgen – Nach gesetzlicher Neuregelung mehr Unsicherheit statt Rechtssicherheit!
Abtretungsverbote für Lohnansprüche in Arbeitsverträgen – Nach gesetzlicher Neuregelung mehr Unsicherheit statt Rechtssicherheit!
Eine gängige Arbeitsrechtspraxis bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen ist, ein sog. „Abtretungsverbot“ für den Lohnanspruch des Arbeitnehmers mit in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Gläubiger und Schuldner sollen während des Arbeitsverhältnisses gleich bleiben, sprich Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Mit dieser Vereinbarung soll vor allem „Rechtsklarheit“ geschaffen werden. Der Arbeitgeber soll wissen, an wen er den Arbeitslohn zu leisten hat - und sich hierüber auch keine Gedanken machen müssen. Aus dieser Erwägung heraus ist es Arbeitnehmern - fast schon standardisiert - vertraglich untersagt, ihren Anspruch auf Lohn an einen Dritten abzutreten. Dies war bis zum 01.10.2021 üblich und auch rechtlich zulässig. Die Rechtslage hierzu hat sich jedoch geändert!
Neuregelung des § 308 Nr. 9 a) BGB im Oktober 2021
Mit Neufassung des § 308 Nr. 9 a) BGB zum 01.10.2021 ist es weitestgehend unzulässig, Abtretungsverbote mit Arbeitnehmern zu vereinbaren. Verträge, die vor dieser Neufassung bereits ein Abtretungsverbot enthalten, bleiben wirksam.
Abtretungsverbote sind für Arbeitgeber - speziell in der Verwaltung oder dem Lohnbüro - wichtig um zu wissen, an wen mit sog. „schuldbefreiender Wirkung“ zu leisten ist. Fallen gedachter Inhaber des Anspruchs (Gläubiger/Mitarbeiter) und tatsächlicher Inhaber des Anspruchs (bspw. Kreditbank) aufgrund einer wirksam erfolgten Abtretung auseinander, läuft der Arbeitgeber Gefahr doppelt zahlen, bzw. seinem Geld hinterherlaufen zu müssen. Daher wurde bislang ein berechtigtes Interesse zu Gunsten des Arbeitgebers an Abtretungsverboten angenommen – der Arbeitnehmer hat die Einschränkung „Abtretungsverbot“ hinzunehmen.
Meinungsstand - macht das alles Sinn?
Trotz der auf den ersten Blick klaren Regelung herrscht unter den Arbeitsrechtlern keine Einigkeit hinsichtlich der Folgen der Gesetzesnovellierung.
Während die Einen aus dem Wortlaut der Vorschrift die Unzulässigkeit von Abtretungsverboten schlussfolgert, sehen dies Andere durchaus kritisch. Juristischer Aufhänger hinter diesen unterschiedlichen Meinungen ist, neben dem reinen Wortlaut der Neufassung, die Vorschrift des § 310 Abs. 4 S. 2 BGB. Hiernach sind bei der Anwendung und Auslegung von AGB- Klauseln die jeweiligen Branchenbesonderheiten - in diesem Fall des Arbeitsrechts - zu berücksichtigten. Auch wenn es verwunderlich klingt, Arbeitsrecht ist AGB-Recht.
Urteile zu diesem Thema liegen bislang nicht vor, eine Präzisierungsvorhaben des Gesetzes ist Stand heute nicht bekannt.
Auf was ist jetzt zu achten?
Trifft eine Anzeige beim Unternehmer oder im Lohnbüro ein, nach welcher der Lohnanspruch eines Arbeitnehmers abgetreten wurde, kontrollieren Sie zunächst die Daten des Arbeitsvertrages dahingehend, ob der Vertrag vor oder nach dem Stichtag 01.10.2021 geschlossen wurde.
Ist der Arbeitsvertrag nach dem Stichtag geschlossen worden, ist davon auszugehen, dass das Abtretungsverbot unwirksam ist und sich der „Gläubiger“ ändert. Nach Berücksichtigung der Freigrenzen ist demnach an den „neuen“ Dritt-Gläubiger zu leisten.
Zur Wahrung der Vorgaben aus dem Datenschutz sollten Sie sich gerade bei Inkassounternehmen - vor inhaltlicher Kontaktaufnahme - eine Vollmacht vorlegen lassen und unbedingt den betroffenen Mitarbeiter „mit ins Boot holen“.
Wurde der Arbeitsvertrag dagegen vor dem Stichtag geschlossen, so sind die vereinbarten Abtretungsverbote weiterhin wirksam.
Nummer sicher - Stichwort: „Vorrang der Individualvereinbarung“
Die Neuregelung kommt nicht zur Anwendung, wenn es sich bei der Abtretungs-Vereinbarung nicht um eine AGB handelt. Da Regelungen in Arbeitsverträgen rechtlich erst einmal als AGB qualifiziert werden, kann die gewünschte Wirkung lediglich mit einer sog. „Individualvereinbarung“ erzielt werden. Allerdings sind die Kriterien in der Rechtsprechung mitunter sehr vage; hier empfiehlt sich der Gang zum Rechtsberater.
Bis Klarheit mittels Rechtsprechung oder einer Gesetzespräzisierung geschaffen wurde, sind aus steuerlicher Sicht Abtretungsanzeigen ernst zu nehmen.